Mehr Bürgernähe, höhere Datensicherheit sowie reibungslose Kommunikations- und Prozessabläufe intern und extern sind zentrale Ziele der Digitalisierungsprojekte im Gesundheitsamt des Märkischen Kreises. |
Als Modellprojekt und Blaupause für die Kreisverwaltung nimmt das Gesundheitsamt seit dem 1. August 2022 am „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“, einem bundesweiten Förderprogramm zur Modernisierung, Digitalisierung und Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, teil. Im Zuge des Förderaufrufs vom 1. August 2022 investierte das Kreisgesundheitsamt rund eine Millionen Fördermittel in verschiedene strukturelle Maßnahmen. Die Förderung aus Mitteln der Europäischen Union läuft am 31. März 2025 aus. Im August 2024 wurde das Nachfolgeprojekt mit Fördermitteln in Höhe von knapp 800.000 Euro bewilligt, das noch bis zum 31. August 2026 geht.
Das Förderprogramm ist eine Konsequenz aus den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie. Sie rückte bundesweit notwendige Verbesserungen der technischen und personellen Ausstattung der Gesundheitsämter in den Vordergrund sowie eine engere Vernetzung der öffentlichen Gesundheitsdienste und –Einrichtungen. Beim Märkischen Kreis wurde im Rahmen des Modellprojekts eine Digitalisierungsstrategie entwickelt. „Von einem modernen Gesundheitsamt erwarten die Bürgerinnen und Bürger zunehmend Online-Dienste, die mit den Dienstleistungen der privaten Wirtschaft vergleichbar sind“, sagt Thomas Schmitz, Projektleiter im Fachdienst Gesundheitsschutz und Umweltmedizin des Kreises. Mit Gesundheitsamt meint er aber nicht allein den Infektionsschutz, der bei der Corona-Pandemie im Mittelpunkt stand, sondern alle medizinischen Dienste: den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst, den Sozialpsychiatrischen Dienst, den Zahnmedizinischen Dienst, den Amtsärztlichen Dienst und den Bereich Hygiene. Nach und nach sollen alle Arbeitsabläufe auf den Prüfstand. Dabei arbeiten das Gesundheitsamt und die IT-Experten des Kreises Hand in Hand.
„Wir haben uns gefragt: Bei welchen Dienstleistungen können wir Online-Anträge sinnvoll digital verarbeiten? Inwieweit können wir Telemedizin nutzen? Da wir im Gesundheitsdienst mit sehr sensiblen persönlichen Daten umgehen, spielen Datenschutzaspekte und die IT-Sicherheit dabei eine große Rolle. Nicht zuletzt erwarten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass wir sie bei der Digitalisierung der Prozessabläufe mitnehmen und schulen. In den kommenden Jahren werden viele Baby-Boomer aus der Kreisverwaltung ausscheiden. Da muss Fachwissen rechtzeitig gesichert und über eine Lernplattform zugänglich werden. Zudem können Arbeitsabläufe durch die Digitalisierung effizienter und weniger personalintensiv gestaltet und so einem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden“, zählen Schmitz und sein Team die Bausteine der Digitalisierung auf. Daraus ergeben sich sechs zentrale Handlungsfelder:
Infrastruktur: Voraussetzung der Digitalisierung sind neben der Bereitstellung von moderner Hard- und Software auch sichere Netzwerke und Server, die eine einfache, datenschutzrechtlich konforme Dokumentenablage und flexibles Arbeiten ermöglichen. Rund 15 Prozent der Fördersumme hat der Kreis in die IT-Sicherheit investiert. Elementar ist auch die Vernetzung der Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienst. Die Etablierung von DEMIS, dem Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz ist dabei ein wichtiger Schritt. Außerdem wurden für den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst verschiedene Seh- und Hörtestgeräte beschafft, die eine digitale Auswertung von Testungen ermöglichen. Ziel ist es, die Schuleingangsuntersuchung künftig weitgehend digital zu unterstützen.
Prozessmanagement: Die systematische Erfassung, Analyse und Optimierung von Arbeitsabläufen trägt dazu bei, Arbeitsprozesse effizienter und transparenter zu gestalten und Digitalisierungspotentiale zu erkennen.
Digitaler Bürgerservice: Das Maßnahmenpaket beinhaltet den Aufbau einer Kommunikationsplattform aus verschiedenen Technologielösungen. Sie soll den Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern verbessern. Die Bereitstellung nutzerfreundlicher Online-Dienstleistungen wird dabei kontinuierlich ausgebaut. Dazu gehören beispielsweise die Online-Terminvereinbarung über das digitale Terminmanagementsystem (DTMS), die Online- Infektionsschutzbelehrung, die Bereitstellung verschiedener Online-Formulare und digitalverfügbare Fragebögen zur Infektionsmeldung sowie ein Meldeportal zum Thema Masern. Künftig sind auch telemedizinische Beratungs- oder Schulungsangebote in den unterschiedlichen Fachdiensten des Gesundheitsamtes denkbar, beispielsweise in der Impfberatung oder im Bereich Trinkwasser. Auch der Einsatz künstlicher Intelligenz, da wo es sinnvoll erscheint, ist ein Thema.
Datensouveränität: Daten können dabei helfen, dass strategische Entscheidungen in der Verwaltung bedarfsgerechter getroffen und begrenzte Ressourcen gezielter eingesetzt werden. Für den datenschutzkonformen Umgang mit Daten sollen interne Standards und eine zentrale Datenbank als Grundlage für den geregelten Zugriff aufgebaut werden.
Digitalkompetenz: Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Digitalisierung mitzunehmen, wurde eine Lernplattform entwickelt. Mit kurzen Videos werden anschaulich und zielgruppengerecht Verfahrensabläufe vorgestellt. Das reicht vom Umgang mit Standardprogrammen, über spezielle Fachanwendungen bis hin zu Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT. Als zentrale Ansprechpartner wurden im Gesundheitsamt Digitallotsen geschult, die den Mitarbeitenden bei Themen zur digitalen Weiterentwicklung unterstützend zur Seite stehen. Bis 2026 soll auch ein Newsfeed mit strukturiert aufbereiteten Informationen speziell für die Mitarbeitenden des Gesundheitsamts etabliert werden. Mit einem nachhaltigen Wissensmanagement wird auch das On-Boarding von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erleichtert. Um Angestellte und Beamte für mögliche Einfallstore von Schadsoftware über eingehende E-Mails von außen und unerlaubten Datenzugriff zu sensibilisieren, wurde das Lernprogramm SoSafe verpflichtend aufgelegt.
Arbeitskultur: Die Entwicklung zu einer digitalen Arbeitswelt geht einher mit einer neuen Arbeitskultur und modernen Arbeitsprinzipien, die sich auch auf die Gestaltung moderner Arbeitsplätze und Räumlichkeiten niederschlagen soll.
Um die Fortschritte bei der Digitalisierung messbar zu machen, wird das Förderprogramm des Bundes wissenschaftlich begleitet und die Steigerung der digitalen Reife der Gesundheitsämter anhand eines Reifegradmodells für die Digitalisierung fortlaufend evaluiert. Beim Märkischen Kreis zeigen die Zwischenergebnisse, dass die Digitalisierungsprojekte auf einem guten Weg sind und erste Erfolge erzielen.
Hintergrund
Der Bund hat ein umfangreiches Förderprogramm aufgelegt, über das bis 2026 insgesamt 800 Millionen Euro für die Digitalisierung des ÖGD bereitgestellt werden. Das Förderprogramm ist Teil des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans (DARP), mit dem die Bundesregierung zur Überwindung der Corona-Krise und zur Zukunftssicherung in Deutschland und Europa beiträgt. Finanziert wird das Programm von der Europäischen Union (NextGenerationEU).