Kinderschutz in Schulen - Kooperationsvereinbarung zwischen Schulen und Jugendämtern unterschrieben

„Kooperation im Kinderschutz“ lautete der Titel einer Informationsveranstaltung, zu der der Märkische Kreis und vier weitere Jugendämter Vertreter aus 70 Schulen ins Schulzentrum des Gertrud-Bäumer-Berufskollegs in Lüdenscheid eingeladen hatte. Den rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Schulen, Schulaufsicht, Regionalem Bildungsbüro und den Jugendämtern ging es unter anderem um eine noch stärkere Vernetzung der Akteure durch Regionalkonferenzen und die Unterzeichnung von Kooperationsvereinbarungen. Mit einem Impulsvortrag stimmte Ansgar Röhrbein, der über lange Jahre die Kinderschutz-Thematik in der Region des südlichen Märkischen Kreises mitgeprägt hat, auf die Thematik ein. Schulaufsichtsbeamte Tanja Tschöke stellte in einer Powerpointpräsention kurz die Gründzüge des Rahmenschutzkonzepts für Schulen vor. 

Die Veranstaltung zeigte den pädagogischen Fachkräften die neuen Entwicklungen im Kinderschutz auf: Die Jugendämter der Städte Altena, Lüdenscheid, Plettenberg und Werdohl sowie das Jugendamt des Märkischen Kreises arbeiten enger zusammen. Ihr Ziel ist es, die Vernetzung und strukturelle Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure und Fachkräfte im Kinderschutz voranzutreiben. Dafür sollen drei Regionalkonferenzen etabliert werden: auf der Volme-Schiene, auf der Lenne-Schiene und Lüdenscheid-Schalksmühle.

In diesen Treffen soll es unter anderem um folgende Themenschwerpunkte gehen: Abstimmungen in Verfahrensweisen im Kinderschutz, Evaluation der Dokumentenvorlagen, anonyme Fallkonferenzen sowie inhaltlichen Input zu Fragestellungen im Kinderschutz. Darüber hinaus findet am 25. September eine Veranstaltung der Initiative Kindeswohl mit allen Netzwerkpartnern im Kulturhaus Lüdenscheid zum Thema „Inklusiver Kinderschutz“ mit interessanten Workshops statt.

Vernetzung zwischen Jugendämtern und Schulen

Bei ihrer Informationsveranstaltung im Gertrud-Bäumer-Berufskollegs in Lüdenscheid warben die Jugendämter für einen intensiveren Austausch mit Lehrerinnen und Lehrern. Die pädagogischen Fachkräfte sind als Vertrauenspersonen oft erste Ansprechpartner von Kindern in Not und nehmen eine wichtige Beratungsfunktion im Gespräch mit Eltern und Sorgeberechtigten ein.

„Die pädagogischen Fachkräfte in den Schulen sind eine wichtige Bank im Kinderschutz“, weiß Kim Heinzer, seit 2017 Kinderschutzfachkraft des Kreisjugendamtes. „Mit ihnen arbeiten die Jugendämter seit Jahren konstruktiv und auf Augenhöhe zusammen, um Kinder und Jugendliche vor Gefährdungen ihres Wohls durch körperliche Misshandlung, Vernachlässigung, psychische oder emotionale Misshandlung und sexuelle Gewalt zu schützen und mögliche Anzeichen frühzeitig zu erkennen“, macht Kim Heinzer deutlich.

501 Verdachtsmeldungen beim Kreisjugendamt

So sieht das in Zahlen aus: 2023 gingen beim Kreisjugendamt insgesamt Verdachtsmeldungen zu 501 Kindern ein. Davon meldeten die 30 Schulen im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes allein 55 Verdachtsfälle von akuten Kindeswohlgefährdungen. 92 Verdachtsfälle wurden anonym aus dem Umfeld des Kindes gemeldet und 71 Verdachtsfälle von der Polizei insbesondere nach Einsätzen wegen häuslicher Gewalt. „Etwa bei einem Drittel der Meldungen stellen wir tatsächlich eine Gefährdung fest. Bei Zweitdrittel der Meldungen sehen wir entweder einen Unterstützungsbedarf, um die Lebenssituation der Kinder zu verbessern, oder gar keine Gefährdung“, ordnet die Kinderschutzbeauftragte ein.

Für die Zusammenarbeit im Kinderschutz - insbesondere beim Vorgehen im Verdachtsfall - wurde die bereits bestehende Kooperationsvereinbarung jetzt auf den aktuellen Stand gebracht und die Verantwortungsgemeinschaft für Kinder und Jugendliche in den Fokus gestellt. Bei der Gefährdungseinschätzung soll die neue Kooperationsvereinbarung zwischen Jugendamt und Schule noch mehr Sicherheit geben. Sie wurde den Schulen bei der Informationsveranstaltung vorgestellt und von vielen Schulvertretern gleich vor Ort unterschrieben.

Standardisiertes Vorgehen

Die beteiligten Jugendämter haben in den Kooperationsvereinbarungen die aktuellen Vorgaben des Gesetzgebers zu einem standardisierten Vorgehen bei einer vermuteten Kindeswohlgefährdung aufgearbeitet. Auf einer Postkarte wurden die gesetzlich vorgesehenen Verfahrensabläufe übersichtlich dargestellt. Wichtig: Bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ist die Schule verpflichtet, zunächst das Gespräch mit den Sorgeberechtigten zu suchen. Sofern der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, soll die Schule darauf hinwirken, dass die Familien gegebenenfalls Hilfen annehmen. Im Rahmen einer anonymisierten Fallberatung steht das Jugendamt der Schule durch die Bereitstellung einer Kinderschutzfachkraft unterstützend zur Seite. Zudem sollen Schutzmaßnahmen für die betroffenen Kinder vereinbart werden. Die Wirkung dieser Maßnahmen sollen die Schulen dokumentieren und kontrollieren.

Risikoabschätzung

Stellt sich im Rahmen der Risikoabschätzung heraus, dass Kinder akut gefährdet sind oder Eltern nicht in der Lage oder nicht Willens sind, die Gefährdung für ihre Kinder abzuwenden, schaltet die Schule das Jugendamt direkt ein. „Nach den bisherigen Erfahrungen der anonymisierten Fachberatung bleiben 80 Prozent der Fälle zunächst an den Schulen; etwa 20 Prozent werden im Nachgang einer Fachberatung dem Jugendamt gemeldet. Anders als in der Vergangenheit erhält die Schule eine Eingangsbestätigung der Meldung und eine Rückmeldung, ob das Jugendamt tätig geworden ist oder nicht.  

Die Handreichung zur Kooperationsvereinbarung bietet den Schulen wertvolle und nachvollziehbare Anhaltspunkte zum Erkennen einer möglichen Kindeswohlgefährdung. Anhand eines Reflexionsbogens zur Gefährdungseinschätzung werden gezielt mögliche „Symptome“ im körperlichen und psychischen Erscheinungsbild, im (Sozial-)Verhalten der Kinder und in der Beziehung zu ihren Eltern abgefragt, die für eine Risikoabschätzung hilfreich sind. Die Handreichung bietet zudem den Vorteil, dass das Verfahren nachvollziehbar dokumentiert wird. Sie ist eine Ergänzung zum Ordner „Schulische Herausforderungen“, der vom Regionalen Bildungsbüro Märkischer Kreis entwickelt und an die Schulen verteilt wurde.

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